Bully und Elsi - Elsi kam aus der Zwingerauflösung (füher Alice)


Auf den Boxer gekommen...


Vor Jahren noch hätte ich mir nicht vorstellen können, jemals einen Boxer zu besitzen. Ich hatte nämlich, obwohl ich schon immer ein Hundenarr war, einen höllischen Respekt vor dieser Rasse.
Woran es lag? Weiß der Kuckuck. Vielleicht weil man einfach zu wenig über diese Hunde wusste.

Doch wie es das Schicksal manchmal so will, war es ausgerechnet ein solcher Hund, dem ich einst das Leben rettete und der mir das mit einer solchen Liebe und Treue vergalt, dass mir dieser Boxerrüde teurer wurde als mein eigenes Leben.
Ich schrieb seine Geschichte auf und als er nach nur sieben Jahren in meinen Armen verstarb, brach für mich eine Welt zusammen. Ich war plötzlich allein und hatte etwas sehr Wertvolles verloren. Kein Trapsen mehr im Haus, kein freudiges Schniefen, keine großen Augen, die mich erwartungsvoll ansahen...Das Haus war leer und mein Herz auch. Gegen diesen Schmerz konnte nur noch eines helfen - ein neuer Boxer. Aber woher so schnell einen Boxer nehmen, der mir das zurückbrachte, was ich verloren hatte?

Frau Helweg von der Boxernothilfe wusste Rat.
Bettina Moritz in Hannover hatte einen Boxerrüden in Pflege, der ebenso dringend Hilfe brauchte wie ich.
Also, nichts als hin und Bully, wie der kleine kräftige Rüde hieß begutachtet. Doch der erste Kontakt verlief kühl und enttäuschend. Vor Aufregung hielt ich ihn seiner Größe wegen für eine Hündin und die Fellfarbe stimmte auch nicht.
Als wir uns dann gegenübersaßen musterte er mich und meinen Lebenspartner aus kleinen, bösen Augen. Den Unterkiefer vorgeschoben, begann er auch noch warnend zu jeder unserer Bewegung zu knurren. Diese negativen Attribute machten auch das schwarze Gesicht, die lustigen Ohren und der muskulöse Körper nicht wieder wett. Wir begannen zu schwanken.

Bettina Moritz lobte Bully und versuchte ihn uns näher zu bringen, verschwieg dabei aber nicht, dass Bully aus einer schlechten Haltung kam und Misshandlungen ausgesetzt war. Doch Bully, der intelligent genug ist in den Augen der Menschen zu lesen, schien zu begreifen, dass wir seine einzige Chance waren und stürzte in letzter Minute auf uns zu, um uns mit Schlabberküssen zu überschütten. Sofort war das Eis gebrochen und ohne einen Blick zurückzuwerfen, fuhr er stolz mit uns in sein neues Zuhause.

Aber wer konnte ahnen, welchen Misshandlungen der Boxer in seinen ersten drei Lebensjahren wirklich ausgesetzt war und was uns an Arbeit und Kampf erwartete? In Bully wohnten zwei Seelen, die sensible, welche förmlich nach Liebe und Aufmerksamkeit lechzte und die andere, äußerst ängstliche und gefährliche.

Was hatte man diesen armen Hund angetan? Diese Frage beschäftigte mich immer dann, wenn er meine Annäherungsversuche zähnefletschend beantwortete. Bully wertete alles Unbekannte als Angriff auf seinen Körper und hatte gelernt sich in seiner Not seines Peinigers mit dem Gebiss zu erwehren.
Mein Fehler anfangs, war die Unsicherheit in meinen Augen, die er stets als Angriff deutete, dabei brauchte er nichts dringender als Vertrauen. Also lernte ich erst einmal mit der eigenen Angst umzugehen, Geduld zu haben und klare Grenzen zu ziehen. Da Bully ja ein gutes Wesen besaß und willig war zu lernen, kamen wir uns bald näher und nach einem halben Jahr glaubte ich ihm das Vertrauen zurückgegeben zu haben. Doch eine belanglose Handbewegung zerstörte alle Bemühungen mit einem Schlag. Bully griff mich an und verletzte mich. Damit hatte er seine Chance vertan und auch der Tierarzt meinte: "Der Hund hat seine Chance bekommen. Er muss getötet werden! Auf Tierfreunde wie sie warten noch mehr Hunde, die ein gutes Zuhause verdient haben!"

Doch dann sah ich in diese kugelrunden Augen, die heute nach fast zwei Jahren voller Vertrauen auf mir ruhen und sah wie er sich plötzlich um mich bemühte und mit einer Intensität, die schon an Starrsinn grenzte und um meine Liebe zu betteln begann...Ich glaube heute, dass auch ein Hund begreift, wenn er zu weit gegangen war. Von diesem Augenblick an, besaß ich zwar eine Narbe mehr, gewann aber das Vertrauen meines kleinen Boxers zurück, der uns heute mit lustigen Streichen erfreut und sich mit jedem, ob Kind oder Hund versteht.

Vor allem mit der Elsi, die wir nach diesem Erfolg spontan zu uns holten. Denn Elsi ist ein in Not geratenes Boxermädchen, welches schon elf Jahre alt ist und eigentlich Alice vom Barbusch heißt. Ursprünglich suchten wir nach einem kleinen Spielgefährten für unseren Bully, da wir uns davon weitere Fortschritte für seine Entwicklung versprachen.
Doch als uns Ute Helweg eines Abends Fotos von acht, stark vernachlässigten Boxern mailte, war meine Entscheidung bereits gefallen. Am nächsten Tag stand ich vor einem alten Boxerpärchen, die mich mit ihren großen Augen durch die Gitterstäbe anbettelten: "Bitte nimm uns mit!" Hätte ich keinen Rüden gehabt - ich hätte sie sofort beide mitgenommen. Schweren Herzens entschied ich mich nur für die kleine, total abgemagerte Hündin, welche obendrein an einem frischen Kieferbruch litt. An den Rüden musste ich noch oft denken. Wer würde neben den jüngeren sechs anderen Boxern noch ein Auge für diesen, sicherlich noch stattlichen elfjährigen ausgedienten Zuchtrüden haben?

Elsi, wie wir die Hündin von nun an liebevoll nannten, hatte es von allen am nötigsten wieder aufgepäppelt zu werden. Noch einen Winter in Kälte und Schmutz hätte die einst für die Zucht ausgenutzte und dann einfach sich selbst überlassene Hündin nicht überlebt. Sie war so abgemagert, dass sie wie ein Welpe wirkte mit ihren großen Pfoten. Ein vertrocknetes, herunterhängendes Gesäuge, kahle Liegestellen und ein sich nicht schließender Unterkiefer rundeten das leidvolle Bild ab.
Dass Elsi zu Bully passte, das war nicht nur eine Ahnung gewesen.
Elsi war eine liebenswürdige, etwas dominante Vertreterin ihrer Rasse. Vom ersten Augenblick an hatte sie die Hosen an. Elsi nutzte sofort alle Annehmlichkeiten, nach dem Motto: "Davon lasse ich mir nichts mehr wegnehmen!"
Rollte sie sich am ersten Abend noch unter dem Tisch zusammen, liegt sie heute in allen Betten und am liebsten auf meinem Schoß. Selbst ein Kind kann nicht besser schmusen und einen um den Bart gehen.

Elsi (Alice) bei der Übernahme aus der Zwingerhaltung

Seitdem wir Elsi haben unternehmen wir keinen Schritt mehr alleine.
Schmusen ist ihre Hauptbeschäftigung mit der sie ihren Menschen zeigt, wie dankbar sie ist. Anfangs päppelten wir sie mit Weichfutter auf, weil der Kiefer kein anderes Futter zuließ. Heute knackt Elsi mit ihren neun Jahren jeden Knochen und hakt auch schon mal blitzschnell zu, wenn Bully sich nicht unterordnet. Ansonsten sind sie die dicksten Freunde, kriechen zusammen und lecken sich gegenseitig sauber. Elsi hat sich zu einer stattlichen Hündin entwickelt, der die überstandenen Strapazen keinesfalls mehr anzusehen sind und sie ist bemerkenswert gesund. Was Bully nun noch an Erziehung fehlt lernt er durch seine sanftmütige und auch manchmal recht kesse Freundin Elsi, welche ihm nun mal um einige Jahre Erfahrung voraus ist.
Ich nenne unsere Boxer liebevoll, "unsere Kinder" und glaube nicht, mich dafür schämen zu müssen, auch wenn ich von einigen angeblichen Boxerfreunden für meinen Kampf um Bully als ein "schlechter Repräsentant" der Rasse Boxer bezeichnet wurde.

Bettina Szrama