Carlo


13.12.2006


2.11.2006
Hallo ich bin Carlo, ich bin ein 6 Jahre alter Boxerrüde und heute darf ich zu meiner neuen Pflegefamilie nach Lauta in Sachsen. Wie viele meiner Freunde bei der BNH war mein Leben nicht leicht, ein karges, einsames Leben im Zwinger haben Spuren in meiner Seele hinterlassen. Vor Aufregung kaum zu bändigen, verpasste ich meiner neuen Familie so manchen blauen Fleck, aber mit meinem Charme hab ich das alles wieder wettgemacht.

Nachdem sich meine Betreuerin Doreen Dühn verabschiedete und allein nach Hause fahren musste, hab ich mich erstmal über meinen neuen Schlafplatz hergemacht.

Vor der Treppe hab ich noch Respekt, also bleibe ich erst einmal in meinem kuscheligen Körbchen im warmen Wohnzimmer. Der Tag war so aufregend das ich meine braunen Kulleraugen nicht mehr offen halten konnte und mein Schnarchen war der beste Beweis das ich mich richtig wohl fühle.

3.11.2006
Neuer Tag, neue Abenteuer. Frauchen ging heute mit mir den Garten besichtigen, schön groß und das hinter dem Zaun hat mich natürlich auch interessiert. Durch das Gartentor wollte ich nicht extra gehen, also nahm ich den kürzeren Weg über den Zaun und ging auf Erkundungstour. Wäre alles nicht so wild gewesen, wenn nicht meine Leine noch an der Gaderobe gehangen hätte und die Rufe meiner Pflegemutter auf taube Ohren stoßen würden.

Eine nette Nachbarin hat meine Flucht bemerkt und blitzschnell reagiert, sie warf mir einen Fußball zu und Frauchen konnte mich schnell wieder einfangen und zurück nach Hause bringen. Der Schreck stand Frauchen ins Gesicht geschrieben, aber ich fand das alles nicht so schlimm, schließlich ist das jetzt mein Revier, nur leider darf ich nur noch an der Leine in den Garten.

Diese vielen neuen Geräusche sind noch ganz fremd für mich, was mir nicht gefällt, wird gnadenlos angebellt, zum Beispiel Kaffeemaschine, das Telefon, Waschmaschine und der Fernseher. Aber meine Familie hat Verständnis, schließlich hab ich so etwas noch nicht kennengelernt, obwohl ich bereits sechs bin. Die ersten drei Stufen hab ich heute geschafft, in den Hinterbeinen fehlt mir noch die Kraft auch die restlichen zehn zu steigen, aber mit meinem neuen Training (viermal täglich lange Spaziergänge) ist das nur eine Frage der Zeit.

4.11.2006

Als ich an diesem Morgen die Nase zur Tür hinausstreckte wäre ich am liebsten wieder umgedreht, Regen, den ganzen Tag nur Regen. Dafür gab es Unterhaltungsprogramm mit meiner Familie, Schweineohr jagen, Boxtraining und ausgiebiges Kuscheln.

Am Abend musste Herrchen arbeiten gehen, ich wollte unbedingt mit, kaum das die Tür einen Spalt offen war, huschte ich blitzschnell durch seine Beine und lief in die Nacht hinaus. Bei meinem Rundgang begegnet mir doch glatt so ein Mischling und das in meinem Revier, den hab ich in die Schranken verwiesen, wer jetzt hier das Sagen hat.

Meine Leute versuchten mich einzufangen, nachdem mein Gegner die Flucht ergriffen hatte, setzte ich meinen Rundgang fort und mußte dann vor Erschöpfung aufgeben. Dann mußte meine Familie den anderen Hund suchen, in der regnerischen Nacht wollten sie beinahe aufgeben, als man ihn daheim vor seiner Haustür wiederfand. Mein Verhalten war für meine Familie ein herber Rückschlag, Doreen wurde darüber informiert und erklärte ihnen das diese Reaktion mit meiner Vergangenheit zusammenhängt. Ein Schlachtplan mußte her. Nach diesem turbulenten Abend hab ich mich in die Arme meines Frauchens gekuschelt und ihr Herz erobert, denn mein Vorgänger, ein neun Jahre alter Boxerrüde war vor fast einer Woche in ihren Armen über die Regenbogenbrücke gegangen. Jetzt haben sie mir die Chance gegeben diese Leere auszufüllen.

5.11.2006
Heute kam Doreen zu Besuch, ich hatte es mir gerade gemütlich gemacht als sie im Zimmer stand und mich überrascht ansah. Wahrscheinlich weil ich sie nicht sofort mit dem Boxerkuss begrüßt habe oder weil ich mich so lieb benommen habe, nein sie hat meine Küsse vermisst. Dann haben die drei den gestrigen Vorfall ausgewertet. Meine Fortschritte blieben natürlich nicht unbeachtet, von meinem überdrehten Gemüt ist nicht mehr viel übrig. Ich habe mich zu einem ruhigen Fußwärmer entwickelt, damit hab ich Doreen richtig beeindruckt. Sie erklärte meiner Familie das ich zum Blutabnehmen muß, um einige Untersuchungen zu machen, mein Verhalten und die Aggressivität lassen auf eine Schilddrüsenüberfunktion schließen. Mit den richtigen Medikamenten wird es mir dann bald besser gehen.

6.11.2006
Heute mußte ich wieder Autofahren, wir sind in ein riesiges Waldgebiet gefahren und Herrchen ist mit mir gejoggt. Er freut sich das ich schon etwas zugenommen habe, meine Knochen sind zwar noch zu sehen, aber ich bin schon kräftiger geworden und meine Kondition wird immer besser. Der Rest meiner neuen Familie hat mich auch schon in ihr Herz geschloßen, damit ich mich richtig wohl fühle und nicht mehr hungrig sein muß bringt mir jeder Leckerlis mit. Ein weiterer Erfolg ist bei meinem Treppenproblem zu verzeichnen, ich habe es heute bis zur Hälfte geschafft und konnte einen zaghaften Blick auf das was mich bald erwarten wird werfen, ein großes Bett mit jeder Menge Kissen und Decken. Das wird ein Spaß werden.

7.11.2006
Der Tierarzt, ungeliebt aber äußerst wichtig. Mein Termin stand bereits fest, ein Zurück gab es jetzt nicht mehr, aber hauptsache meine Leute sind dabei. Alle dachten ich brauch eine Beruhigungsspritze, ich hab sie eines besseren belehrt, man hielt mich fest aber so konnte ich dem Tierarzt erstmal die Haare waschen. Damit war ich so beschäftigt das er mir schnell Blut abnahm und meinen Chip einsetzte, dann durfte ich auch schon wieder gehen. Doreen würde sich melden wenn die Ergebnisse da wären und falls ein Problem besteht eine Lösung finden. Ich war froh als wir zuhause ankamen, ich mich auf meinem Kissen niederlassen und alle vier Pfoten hochlegen konnte.

9.11.2006
Mein Blutergebnis hat den Verdacht fast bestätigt, nur das es keine Über- sondern eine Unterfunktion der Schilddrüse ist. Doreen hatte sich bereits der Lösung des Problems angenommen und eine befreundete Tierärztin und einen Verhaltensforscher auf meinen Fall angesetzt. Das Wohl ihrer Schützlinge ist für die Ansprechpartner ein Privileg, sie leisten wirklich hervorragende Arbeit, wir Samtschnauzen können von Glück sprechen das es Leute gibt die sich so für uns aufopfern.

11.11.2006
Heute hat sich Doreen gemeldet und erzählt das sie meine Medikamente jetzt hat, jetzt muß ich nur gewogen werden. Wie Herrchen das machen soll weiß er auch noch nicht, er hatte mich schon einmal auf dem Arm, aber ich hab so gezappelt das er mich gleich wieder abstellen mußte. Aber mein Herrchen gibt nicht so schnell auf, deshalb hat er sich für mich entschieden, bei mir wird viel Geduld, Kraft und Durchsetzungsvermögen gebraucht. Die Fortschritte lassen dann auch nicht lange auf sich warten und so schnapp und knurr ich auch nicht mehr, wenn meine Leute den Fressnapf anfassen, denn ich weiß das ich immer neues Futter bekomme. Sogar das Autofahren fängt an mir zu gefallen, denn am Ende der Fahrt komm ich immer zuhause an.

12.11.2006
Der Sonntag ist da und Doreen auch. Weil ich eine Schilddrüsenunterfunktion habe muß ich jetzt Tabletten nehmen, aber mit leckerer Leberwurst mach ich das natürlich gern. Mein Herrchen hat sich an diesen flimmernden Kasten gesetzt, und hat sich über meine Krankheit erkundigt. Währendessen hat Doreen ein paar Fotos von mir geschossen, ich hab mich von meiner Schokoladenseite gezeigt. Dann hatten meine Leute noch eine Überraschung für Doreen, sie können mich nicht mehr gehen lassen. Ich habe mein Zuhause gefunden.

14.11.2006
Die Tage vergehen wie im Flug, aber bei diesem Tagesprogramm ist das kein Wunder. Mein Tag beginnt mit einem langen Morgenspaziergang, dann wird erstmal ausgiebig gefrühstückt und ein kleines Nickerchen gemacht, damit mein voller Magen sich nicht selbstständig macht. Frauchen macht immer die Sachen sauber die ich so mühsam eingesaut habe, aber ich pass genau auf was sie macht und ab und zu helf ich ihr auch, Gesicht ablecken und gegen die Beine lehnen. Es dauert meist nicht lange und Herrchen kommt von seiner Arbeit wieder, der wird erstmal richtig begrüßt damit er sich umsomehr auf seinen Feierabend freut. Dann fängt es immer so schön an zu duften, natürlich überprüf ich genau was Frauchen da macht, mit meinem braunen Kulleraugen können sie mir nicht widerstehen und so fällt immer ein Leckerchen für mich ab. Herrchen geht fast jeden Tag mit mir joggen, damit meine Kondition noch besser wird und ich nicht dick werde von den ganzen Leckereien. Den Nachmittag verbring ich mit Volleyballspielen und ausgiebigem Kuscheln und das nicht nur mit meinem Fressnapf. Abends lieg ich vor der Heizung und lasse den Tag ausklingen, bevor ich vor dem Schlafengehen eine letzte Runde gehe. Was für ein Leben!

16.11.2006

Der heutige Tag sollte mein restliches Leben verändern. Doreen kam wieder zu Besuch, diesmal mit einer großen Mappe, sah irgendwie wichtig aus. Ich hab die Drei erstmal machen lassen, später sagte Frauchen zu mir das ich jetzt eine Familie habe und da beschloß ich zur Feier des Tages die Treppen hochzulaufen. Darüber haben sich die Beiden riesig gefreut und ich mich erst, nochmehr zu erkunden, und dann das Bett, so schön weich. Ich muß es zwar teilen aber das ist schon in Ordnung, und ich entschädige alle mit meiner Schlafmusik, ich glaub die nennen das Schnarchen. Mit meinem Temperament und den vielen Flausen im Kopf hab ich das Leben von Herrchen und Frauchen ziemlich auf den Kopf gestellt, ich hab noch so manchen Streich in peto, aber meine Liebe entschädigt für jeden Schabernack.

Mit diesen Worten verabschiede ich mich vorerst, aber ich hoffe und wünsche mir für alle Samtschnauzen so ein schönes Zuhause wie ich es gefunden habe. Auch wenn es ein älterer Hund ist, jeder hat eine Familie verdient, selbst wenn die Zeit nur kurz ist, wir sind froh und dankbar und das zeigen wir mit jedem schniefen, schnarchen und jedem einzelnen Boxerkuss.

Euer Carlo