Chance



Ihr Name ist Chance und die sollte sie auch bekommen.

Chance Vor ca. 6 Wochen erreichte uns ein Hilferuf von Frau Pries, die über die Tierhilfe Süden ein Tierheim in Istanbul betreut. Mit der Bitte ein Foto einer mit Verdacht auf einen Vaginaltumor erkrankten Hündin, auf unserer Homepage vorzustellen.

Die Diagnose lautete :
Vaginaltumor, der viral bedingt sei und bereits vor Ort mit Chemo anbehandelt wurde.

Wir stimmten zu und präsentierten sie mit Bild und Text auf unseren Seiten unter "Zuhause gesucht".

Aber leider ist die Resonanz nicht sehr überwältigend.
Es kommen kaum Anfragen. Chance ist anscheinend mit ihrer Erkrankung und ihrem langen Gesäuge nicht schön genug.

Unser Tierheim hat mitbekommen, wie sehr ich unter ihrem Schicksal litt. Sie teilten meine Befürchtungen, daß sie bei ca. 600 Hunden in Vergessenheit geraten könne und sich keiner um sie kümmere und hat mir deshalb einen Heimplatz für sie angeboten. Frau Pries setzte darauf hin alle Hebel in Bewegung, um die arme, ausgemergelte Hündin in einen sicheren Hafen zu bringen.

Chance wurde vermutlich ausgesetzt, nachdem sie sich als Zuchthündin unbrauchbar erwiesen hatte. Man überlies sie ihrem Schicksal in den Straßen Istanbuls.
Eine tierliebende Frau hat sie eingefangen und ins dortige Tierheim gebracht, wo sie seit September 1999 lebte.

Bei Übergabe in Deutschland überraschte uns eine äußert menschenfreundliche, verschmuste Hündin, welche offensichtlich als Geburtsmaschine mißbraucht wurde. Ins Auge fielen uns sofort die verdickten langen Zitzen und eine Vorwölbung der Geschlechtsteile mit sichtbaren Schleimhautteilen. Durch diese Beckenbodensenkung mündet die Harnröhre jetzt in den Vorfall der sich als große Ausbuchtung nach außen wölbt und durch den der Urin beim Wasserlassen abfließt.

Bei der 1. Untersuchung stellte sich heraus, daß es sich um einen Vaginal- und wahrscheinlich Blasenvorfall handelt. Die Ursache ist verletzungsbedingt durch multiple unsachgemäß durchgeführte Geburten.
Ein bösartiger Vaginaltumor ist anhand der lokalen Befunde unwahrscheinlich.

Am Dienstag, den 6. August, erfolgt eine Untersuchung in Narkose mit Gewebeentnahme und in gleicher Sitzung wird eine Blasenhebung und Gebärmutterentfernung durchgeführt.
(Der Op-Termin wurde wegen einer fiebrigen Durchfallerkrankung auf Donnerstag, den 8. August verschoben.)
Damit können wir dem armen, mißbrauchten Geschöpf zumindest Infektionen und Schmerzen in diesem Bereich ersparen.
Es wird eine etwas aufwendigere Operation. Der Tierarzt rechnet mit 3 Stunden, bis alles wieder so hergestellt ist, wie es sein soll.
Chance ist ein so liebenswertes, lustiges, lebensfrohes und mit allen verträgliches "Boxerle", daß es einfach schade wäre, ihr keine zweite Heimat in ihrem Leben zu ermöglichen. Deshalb wird für Chance alles Medizinische getan, was in unserer Macht steht.
Wer weiß, vielleicht findet sich für sie trotzdem noch ein neues liebevolles Zuhause.

Es ist schon verwunderlich anzusehen, wie sehr diese Boxeraugen strahlen, obwohl sie immer noch in einem Tierheim sitzt. Sie fühlt sich wie im Himmel, nette Menschen, volle Futterschüssel und eine weiche, warme Decke zum Schlafen.



Wie würde sie sich erst in einer eigenen Familie fühlen?

Da unser kleiner Verein noch mehrere Sorgenkinder hat und die Operations- und Behandlungskosten für Chance sehr hoch sind, möchte ich unsere Freunde wieder einmal um eine kleine Spende bitten.

Im Namen aller unserer notleidenden Boxer - ganz besonders Chance - möchte ich mich recht herzlich bedanken und werde Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden halten. Chance

Wir sind - im Gegensatz zu einem anderen deutschen Verein, der sich auch um Notboxer kümmert - nicht der Meinung, daß wir "Tiere, die eigens zum Zwecke der Vermittlung aus dem Ausland importiert werden" ausschließen sollten. Einem Boxer in Not sollte geholfen werden, egal wo er sich befindet.
Für uns ist es selbstverständlich, daß wir unsere Hilfe nicht versagen, wenn wir von deutschen Hilfsorganisationen um Unterstützung gebeten werden.

Einige sind vielleicht mit unserem Verein nicht einer Meinung, solchen "Kötern" Hilfestellung zu geben, aber ich weiß, daß unsere Mitglieder, Freunde, Paten und Förderer immer geschlossen hinter unseren Entscheidungen stehen, wenn es darum geht, auch und gerade einem solchen Boxer zu helfen.

8.8.02

Chance in Narkose kurz vor der Operation.
Chance in Narkose Heute wurde Chance operiert. Freudig marschierte sie zu unserem Tierarzt rein, denn dort sind Menschen, die mit ihr reden und sie streicheln. Beim Intubieren hat der Tierarzt festgegestellt, dass sie ihr Mäulchen nur ein drittel so weit öffnen kann wie normal. Möglich, dass dies angeboren ist, vielleicht aber auch ein alte Verletzung. Einen Vaginaltumor oder eine Krebserkrankung an der Gebärmutter, die auch gleich entfernt wurde, konnte zu 100% ausgeschlossen werden.
Größere Sorgen bereitete ihm der große Geweberiss (Zitat Tierarzt bei der Vaginalspielung: "da drinnen ist alles zerfetzt"). Dieses Loch mußte also geschlossen und alles wieder in die richtige Richtung gelegt werden.
Die Wunde musste in drei Schichten genäht werden. Bei der porösen Bindehaut kein einfaches Unterfangen. Wir können nur alle hoffen, dass die Nähte halten.
Beim Abholen vom Tierarzt erwartete mich eine quieschvergnügte, freudig wedelnde Böxerhündin. Dann kam der eigentlich große Moment, Pipi machen gehen...

Es hat alles geklappt, der Urin fließt nun wieder durch die Scheide ab. Da das kleine Mäuschen die nächsten 3 Tage nur flüssige Nahrung - Suppe - zu sich nehmen soll, habe ich sie zu mir mit nach Hause genommen, was wahrscheinlich ein Fehler war. Sie ist jetzt schon eine sehr anhängliche Hündin, die es so genießt umsorgt zu werden. Es bricht mir das Herz, sie in drei Tagen wieder ins Tierheim zu bringen, aber ich kann sie nicht mit meinen 3 Boxerrabauken zusammen lassen. Ich möchte nicht riskieren, dass die Nähte platzen. Ich wünsche mir so sehr eine eigene Familie für diese Maus. Sie ist einfach traumhaft.
Von unserer Suppe mit Nudeln und Ei war sie nicht so begeistert. Werden wir wohl ab morgen Rindfleisch und Hühnchen kochen müssen....

9.8.02
...bei der Genesung auf dem Balkon
Heute Morgen waren wir mit der kleinen Maus wieder beim Tierarzt. Er ist mit ihrer Genesung sehr zufrieden; die Nähte scheinen zu halten; die Wunde ist trocken. Sie ist aber auch eine vorbildliche Patientin. Selbst die zwei Spritzen wurden freudig entgegengenommen. Zu Essen gab es heute Mittag Nudeln mit Thunfisch und heute Abend gibt es Thunfisch mit Nudeln (auf Anraten des Tierarztes). Damit sie sich die Nähte nicht aufreisst, haben wir ihr als Not-Kleidung heute ein weißes T-Thirt und eine schwarze Radlerhose ausgewählt, die sie auch sehr stolz trägt. Unsere eigenen Boxer-Rabauken haben bis jetzt noch nicht mitbekommen, dass in unserem ersten Stock ein Boxermädchen logiert.



11.8.02
Ursprünglich sollte Chance gestern wieder ins Tierheim zurück. Die "Suppentage" sind vorbei. Wir hatten auch den festen Vorsatz, aber als sie dann vor uns stand und uns mit ihren großen, freudigen Augen ansah...
Kurzum, wir haben es nicht übers Herz gebracht. Sie darf bis zu ihrer Vermittlung weiter im ersten Stock residieren. Ihre ruhige, zufriedene Art lässt sie gar nicht auffallen. Also weiterhin "Schleusenverkehr" mit unseren Boxern im Haus. Es klappt auch noch recht gut.
Der Heilungsprozess ihrer Operationsnarben verläuft sehr positiv. Unser Tierarzt ist weiterhin äusserst zufrieden mit ihrer Genesung.

Chance sollte in eine Familie, die sich viel mit ihr beschäftigen kann, denn sie liebt
-mehr noch als andere Boxer- Streicheineinheiten ohne Ende. Und die sollte sie auch bekommen, nach allem, was sie erlebt hat.

Mit Entsetzen mußten wir feststellen, dass bei Chance alle vier Eckzähne abgeschliffen wurden. Ein Telefonat mit Tierschützern des Tierheims in Istanbul bestätigte dann unsere Vermutungen. Chance ist offensichtlich nicht nur zur Zucht missbraucht worden...
Lange haben wir überlegt, ob wir diese Vermutungen hier schreiben sollten, sind aber zu dem Entschluss gekommen, es nicht verschweigen zu dürfen.

Es ist unvorstellbar, was sogar Tiere erleiden müssen.

14.8.02

Chance, sieben Tage nach ihrer Operation. Sie liebt es im Garten mit ihrem Ball zu spielen. Ab und zu bekommt sie ihre "närrischen Boxerminuten". Dann saust sie wie ein Wirbelwind durch unseren Garten. Sie ist ein glückliches Boxermädchen, die ihr jetziges Leben in vollen Zügen genießt. Endlich keine Schmerzen mehr, eine weiche Kuscheldecke, volle Futterschüsseln.



Was ihr jetzt zu ihrem Glück noch fehlt, ist die richtige Familie, die ihr all das gibt, worauf sie in den letzten Jahren verzichten mußte.




16.8.02




Liebe und Streicheleinheiten für sie alleine und vielleicht noch einen Kumpel zum Spielen und Toben.






Es wäre schön, wenn sich ihr Traum von einer eignen Familie erfüllen würde...







Glücklich sind wir aber besonders darüber, dass der Krebs-Tumor ausgeschlossen werden konnte und sie nur "repariert" werden mußte. Es werden zwar hohe Kosten auf uns zukommen, aber sie hat jetzt die Möglichkeit ein normales Leben zu führen. Vielleicht finden sich doch noch einige Boxerfreunde mit Herz, die uns und Chance mit einer kleinen Spende unterstützen.







2.9.02
Chance hat sich inzwischen mit unserer "Meute" arrangiert. Es gibt auch keine Rangordnungsprobleme mehr. Sie behauptet fest ihren Platz als dritte und hat auch keine Bedenken, unserem Zeus zu demonstrieren, dass sie keinerlei Angst vor ihm hat. Ihr "Strassenfegercharakter" bricht ab und zu immer noch durch, dann nämlich, wenn sie unbemerkt die Mülltonnen bzw. Abfallsäcke nach "Brauchbarem" durchsucht...
Wir rufen sie jetzt "Julchen". Der Name passt viel besser zu ihr.






15.9.02
Chance hat nun auch eine neue Heimat gefunden. Familie Ranger-K. aus dem Saarland, die von uns schon die Sorgenkinder Anton und Polly übernommen hatten, zeigten wieder einmal ihr mitfühlendes Herz und wollen ihr ein neues Zuhause schenken. Sie hatten ihre Polly erst vor einigen Tagen schmerzlich verloren...
Sie kann nun mit Anton im Garten spielen, wird viel Zuneigung und Liebe erfahren und braucht endlich nicht mehr zu fürchten, dass sie als Lebewesen überhaupt nicht geachtet wird.

Kontakt: Vera Dengel
Gebietsbeauftragte
Rheinland-Pfalz / Saarland
Tel: 06371 / 1 24 56
Email: VeraDengel@boxernothilfe.de