Elsa


23.12.2004
Ein Jahr Deutschland - eine kleine Weihnachtsgeschichte

Hallo Ihr Lieben,

genau heute vor einem Jahr um diese Zeit standen mein Herrchen und Frauchen am Frankfurter Flughafen und warteten auf meine Ankunft aus Istanbul. Daß sie meine Familie werden sollten, wußten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, genauso wenig wußten sie 12 Stunden vorher von mir. Nach Veras Anruf am Vorabend - "Könnt ihr fahren und den Hund über die Feiertage aufpäppeln?" - raste Frauchen in aller Frühe los und plünderte die Zooabteilung. Die erstaunte Bemerkung der Kassiererin war: Ihr Hund bekommt aber viel zu Weihnachten!!!

Nach endlosen Warten kam ich endlich an. Meine nette Flugpatin brachte mich und noch 2 andere Kumpel aus dem Waldtierheim mit. Sie drückte meinem Frauchen meine Papiere in die Hand mit dem Worten - Hier habe ich etwas ganz entzückendes - wünschte Frohe Weihnachten und entschwand zum Anschlußflieger. Jetzt war ich also da, ich sah mehrere Zweibeiner die in mein Kennel schauten und was nun. Frauchen sah nur meinen frisch operierten Bauch, Fell, triefende Nase und Knochen. Gestunken hätte ich zum Gotterbarmen. Aber was solls!!! Im Parkhaus wurde ich erst einmal aus meiner Box befreit und ich habe meine neue Freiheit ausgiebig auf dem Parkhausboden gepinkelt. Muß bei den Preisen drin sein. Dann fuhren wir nach Hause, dort sind wir gleich aufs Feld, damit ich mein größeres Geschäft erledigen konnte. Aber nur ganz kurz, denn dazu reichte meine Kräft einfach nicht, nach 5 Minuten bin ich einfach umgefallen.

Als wir zu Hause ankamen und ich wurde von meinem Pullover befreit, sahen meine Zweibeiner das ganze Elend, ich war nur noch Haut und Knochen, Liegeschwielen, Verletzungen die verarztet werden mußten. Futtern mochte ich auch noch nicht so richtig, erkältet war ich, Lymphknoten geschwollen. Das einzige was ich mochte, war Babygriesbrei, den mir Frauchen alle zwei Stunden auf dem Sofa eingeflößt hat. Ich habe die ersten Tage fast nur geschlafen und meine schlechten Erinnerungen in Alpträumen verarbeitet. Zwischendurch mußte ich nur bis zum nächsten Baum Gassigehen, soweit haben meine Kräfte gereicht. Zu Hause hatten wir natürlich nicht die passenden Medikamente für mich und unser Apotheker war so nett, alles am Heilig Abend für mich zu besorgen. Er ist noch am Nachmittag zu einem Großhandel auf der anderen Seite Frankfurts gefahren und hat alles am Abend bei uns zu Hause abgeliefert. Danken tue ich es ihm jedesmal, wenn wir dort sind, indem ich ihm die Schokodropies wegfuttere. Er freut sich immer mich zu sehen und lacht über den türkischen Weihnachtsboxer. Vorsichtshalber hat er sich schon bei Frauchen erkundigt, ob er dieses Jahr wieder los muß. Hoffentlich nicht, denn alle Zwei- und Vierbeiner sollen doch gesund bleiben.

Mir ging es von Tag zu Tag besser, langsam hat mein Personal kapiert, was ich zu speisen wünsche. Obwohl Frauchens Mama es am besten weiss (gegrilltes Schollen oder Zanderfilet). Bei ihr finde ich die meiste Unterstützung und drücke mich am liebsten bei ihr in der Küche rum. Sie behauptet zwar heute steif und fest, sie hätte ihre früheren Boxer nie verwöhnt, aber alle ohne Ausnahme die sie kennen behaupten das Gegenteil. (Einzelheiten werden den Boxis nicht verraten, sonst meinen alle es gehöre zur artgerechten Tierhaltung). Die Weihnachtsfeiertage haben wir alle gut über die Runden gebracht. Meine Zweibeiner sind nicht groß zum Schlafen gekommen, denn sie mußten mich ja im Auge behalten.

Am ersten Feiertag hatte ich endlich meinen Namen, die hatten vielleicht komische Ideen, aber mit Elsa bin ich ganz zufrieden (auf Elsbeth und M...vieh höre ich auch). Eigentlich!!! sollte ich ja vermittelt werden, sobald ich ganz gesund bin. Aber nein, wie sollte es auch anders sein, alle Mitbewohner haben beschlossen: die BNH soll sich einen anderen Boxer suchen, es gibt ja leider so viele, mich nicht. Ich bleibe und bin richtig glücklich darüber. Meine Menschen habe ich voll im Griff, die Anfeindungen Fremder, weil ich weiß bin haben nachgelassen. Mein Frauchen hat denen alle die Zähne gezeigt und mich vehement verteidigt. Herrchen und ich schämen uns manchmal für sie. Aber manchen Menschen muß halt eben unmißverständlich gesagt bzw. gezeigt werden, was man von ihnen hält. Auch der letzte hat es kapiert - Ich bin ein Boxer.

Morgen ist wieder Heilig Abend, er wird für uns anders sein als letztes Jahr, ob schöner wissen wir nicht. Vielleicht etwas sorgloser und ruhiger für uns drei. Schöner wäre er, wenn kein Boxer und alle anderen Tiere ein neues zu Hause suchen müßten. Dieser Wunsch bleibt leider sicherlich unerfüllt. Unser Jahr war erfüllt wie sicherlich in vielen anderen Familien mit schönen und weniger schönen Momenten.

Wir wünschen allen von ganzem Herzen eine schöne und unbeschwerte Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

Elsa, Frauchen Inge-Lore und Herrchen Gerhard