Xenia + Baxter - Eine Erfolgsgeschichte


Die Entscheidung

Für viele ist die Entscheidung, einen Hund zu sich zu nehmen, verbunden mit einem traurigen Ereignis: Der vorige Gefährte ist gestorben. Jedenfalls war es bei uns so und es war bereits der dritte Hund innerhalb von 25 Jahren, den wir im Garten begraben haben und jedes Mal war die Zeitspanne bis zum folgenden unterschiedlich lang und wurde von uns anders erlebt.

Mit der Zeit hatten sich bei meiner Frau und mir deutliche Auswahlkriterien für einen Hund verfestigt: Alt oder krank oder geschunden oder herumgeschubst oder ohne jede Vermittlungschance oder mehrere Malus-Eigenschaften in Kombination. Auch das Geschlecht, wir hatten bislang nur Rüden, sollte letztlich keine Rolle spielen. Einziger Fixpunkt: Ein Boxer.

So war ich noch sehr benommen - am Tag an dem wir unseren treuen Hund morgens im Garten begraben hatten - und mehr betrachtend als suchend auf den Internetseiten der BNH unterwegs, so wie jede Woche irgend wann einmal.
Abends erzählte ich meiner Frau von Xenia + Baxter und daß Xenia nun wieder erneut vermittelt werden müsse und zudem eventuell die Notwendigkeit bestünde, sie und Baxter von einander zu trennen, um die Vermittlungschancen zu erhöhen.
Am nächsten Tag holten wir sie ab.

Die ersten Tage

Die ersten Tage waren Janusköpfig: Einerseits geprägt von den beiden neuen, springlebendigen, charmanten Hunden und anderen, neuen Erfahrungen, andererseits von der noch allgegenwärtigen Erinnerung an den Vorgänger und den damit verbundenen Emotionen. Ich sage es ganz ehrlich: Eigentlich kamen die beiden zu früh für uns, was nicht dagegen spricht, wenn wir sagen, daß wir bereits zu dieser Zeit in ihrer Anwesenheit sehr glücklich waren und sie sie uns sehr erleichtert haben.
Sicher, man soll die neuen Hunde nicht an den alten messen: Wir haben es auch nie getan. Aber ihre liebenswürdigen und liebenswerten Eigenschaften und gerade die Andersartigkeit von Xenia + Baxter haben uns doch sehr deutlich vor Augen geführt, was wir verloren hatten, aber selbstverständlich auch, was wir mit ihnen neu hinzu gewonnen haben.

Zusätzlich waren die beiden eine 4-fache Premiere für uns: Wir hatten noch nie ein Paar, noch nie eine Hündin, noch nie einen weißen Boxer und noch nie kastrierte Tiere.

Neben dem Ausbau der caninen Infrastruktur - Halsbänder, Leinen, Freßnäpfe, Spielzeug, Schlafplätze, Körbe, Felle, Decken - und der Ermittlung von Freßgewohnheiten und ~vorlieben, stand insbesondere das soziale Verhalten zu anderen Tieren im Mittelpunkt, vorstellen beim Tierarzt, vertraut machen mit der Umgebung, kurz: All dem, was jeder Halter mit und für seine Gefährten macht. Und der Gehorsam? Na ja, das ist bei Boxern ohnehin etwas Relatives. Fatalismus hilft.

Die Spaziergänge mit zwei Hunden waren schon neuartig für uns: Unser alter, ein 45 kg-Kraftpaket, war zwar sehr leinenführig, ging aber letztlich, wenn er wollte, wohin er wollte, jedenfalls mit meiner Frau. Jetzt haben wir zwar kleinere Exemplare, aber dafür insgesamt 70 kg am Haken. Mit meiner Frau gehen auch sie, wohin sie wollen. Also Wege suchen, wo sie abgeleint laufen können. Das ist bei dem in Deutschland hohen Wildbesatz und den oftmals gemeinen Jägern schon schwierig. Dankenswerterweise kümmern sie Jogger, Radler, Spaziergänger und Kinder nicht, wohl aber Kollegen oder anderes Getier, normal eben.

Immer wieder verwundert uns, daß Baxter - der weiße - gesteigertes Interesse hervorruft: Man habe noch nie einen weißen ..., Ist das eine neue Zuchtlinie?, etc... Es hat sie schon immer gegeben? Nein, so was ... Was, sie wurden früher getötet? ... noch größeres Erstaunen, wenn Hinweis, daß Urmutter Zeta ebenfalls vollständig weiß. Da ist noch einiges an Bewußtsein zu verändern.

Herausforderungen und Erfolge

Zu den geringen Dingen zählen sicherlich kleinere Wehwehchen oder Krankheiten, sofern sie weder chronisch noch strukturell bedingt sind.
So war der psychologisch bedingte Durchfall Baxters auch mit einkehrender Ruhe und ein wenig angepaßter Nahrung schnell überwunden und Xenia knabberte bald auch nicht weiter an ihren Vorderpfoten das Fell weg. Überhaupt war die Integration der beiden in unsere Abläufe völlig problemlos: Einerseits sind wir sehr gutwillig und nachgiebig, andererseits sind die Hunde beide von sehr sanfter Art.
Baxter ist genau der beschriebene "entzückende" Rüde. Allerdings stellten wir sehr schnell fest, daß sich hinter seiner lieben, anhänglichen, schmusigen Art große Unsicherheit, mangelndes Selbstvertrauen und zuweilen nahezu panische Angstzustände verbergen. Insgesamt machte Baxter einen sehr geduckten Eindruck.

Und das ist nun genau nicht das, was wir - nicht für uns, sondern für ihn - erwarten und wünschen.

Wir denken, daß die Unsicherheiten relativ leicht zu beheben sind: Große Disziplin und Konsequenz in Verhaltensweisen, ~mustern und Abläufen unsererseits haben Baxter schon sehr weit vorangebracht. Wir sind überzeugt, daß dieses Thema bald erledigt ist.

Das Selbstvertrauen ist wohl noch länger ein Problem, bleibt es womöglich für immer: Baxter als kastrierter Rüde mit durchaus zartem Körperbau steht unter der Fuchtel der dominanten, robusten Xenia. In seiner früheren Familie waren nach meiner Information zudem noch 3 Kinder. Wir wollen nicht über die dort vorhanden gewesene Hierarchie spekulieren, aber es ist uns bis heute nicht klar geworden, was in Baxter veranlagungsgemäß selbst liegt, was in ihn von außen hineingebracht wurde und was die Kastration in seiner Psyche bewirkte.

Das ist die Situation und prinzipiell sind wir schon der Meinung, daß die Tiere ihre Probleme untereinander selbst regeln sollen und müssen, einerseits. Andererseits müssen wir unsererseits die Unterdrückung selbst nicht aufnehmen oder weiterführen und ermuntern Baxter auf nach unseren Maßstäben subtile Weise, sich gewisse Freiheiten zu nehmen, nicht alles zu erdulden und - ganz wichtig - selbst Forderungen zu stellen. Das bezieht sich primär auf das Verhältnis Baxter zu uns. Hat es weitergehende Auswirkungen auf das zu Xenia, um so besser. Ein kleines Beispiel für das, was wir meinen: Wir wußten bereits am 2. Tag, daß Baxter den Gemüsereis, den ich oft als Diät für meine Hunde koche, nicht mag, genaugenommen das Gemüse darin nicht. Selbstverständlich muß er ihn nicht fressen und er bekommt ihn nicht mehr. Aber manchmal eben doch, damit er uns durch Liegenlassen zeigen kann "Das will ich nicht" - Baxter kann unnachahmlich "Pfui Deibel" machen - und wir die Entrüsteten über soviel Undank mimen können.
Auch gegenüber Xenia gibt es mittlerweile immer mehr Situationen, wo ein überdeutliches Knurren - wir erkennen es schon am Ton - signalisiert: Bis hierhin und nicht weiter oder Das gehört jetzt MIR oder Den Fußgänger am Zaun verbelle jetzt ICH oder ... oder ... und Xenia fügt sich.

Das sind sich immer mehr verfestigende Anzeichen dafür, daß auch hier Erfolg möglich ist und wir ihn künftig zu Baxters Nutzen möglicherweise noch werden mehren können, ohne die Situation insgesamt auf den Kopf zu stellen.

Bei den Angstzuständen ist es sowohl schwieriger als auch leichter. Leichter, da wir einige bislang bekannte Auslöser künftig schlicht vermeiden, schwieriger, da wir nicht wissen, welche es noch gibt.

Xenia, mein Gott, Xenia, könnte man stöhnen, einerseits. Andererseits ... aber der Reihe nach:

Als wir Xenia abholten, war sie ein fettes Schwein. Das klingt und ist drastisch, kennzeichnet auch nicht - selbstverständlich nicht! - die emotionelle Lage, aber die faktische: 39,5 kg bei Durchschnittsgröße am unteren Ende.

Letztlich wurde die Leibesfülle durch die Zeit bei der BNH hervorgerufen, wo Xenia + Baxter - natürlich zusammen - untergebracht waren und - natürlich zusammen - gefüttert wurden. Das hat Domina Xenia weidlich ausgenutzt, um Baxter um seine Rationen, jedenfalls größtenteils, zu prellen und selbst zu vertilgen. Die erzwungene relative Bewegungslosigkeit tat ihr Übriges und ließ sie anschwellen bis zur Unförmigkeit.

Ich selbst gehöre eher zum genießenden Teil der Menschheit und ich bin weit davon entfernt, Askese zu predigen, ja, ich kann Asketen nicht einmal ausstehen. Diese Denke ist mir schlicht zuwider.
Aber was jetzt auf Xenia zukommen mußte, war schon heftig. Dabei überlegten wir intensiv, wie die Fastenkur "sozial verträglich" und, nicht zu vergessen, gesundheitlich kompatibel ablaufen könne.

Die Lösung war erstaunlich einfach:

1. Knappe Portionen
Volle Sättigung - geschätzt - für maximal 4 Stunden, nach 8 Stunden gab es die nächste Portion. Hier half auch der oben bereits erwähnte Gemüsereis: Xenia nimmt alles, nicht nur klaglos, sondern freudig erregt. Im Zuge dessen achteten wir auch sehr genau darauf, daß sie ihren Kopf nicht mehr in Baxters Schüssel steckt. Dafür darf sie "Lazarus machen": Alles, was Baxter beim Fressen zu Boden wirft (Pfui-Deibel-t), wird Habicht-gleich von ihr entsorgt. Andererseits wird Baxter ermuntert, zu zeigen: Das gehört mir. Ich verteidige/fresse es selbst.

2. Null-Leckerli-Management
Baxter mußte aus Solidarität mitmachen. Ich sag es ehrlich: Das hat uns manchmal mehr geschmerzt als die Tiere, aber hierdurch wurde die Sozialverträglichkeit hergestellt. Keiner bekam etwas und wenn sie uns doch einmal "überzeugten" erhielt Xenia ¼ und Baxter ¾ der Portion.

3. Disziplin
Ich erwähnte bereits unsere große Nachgiebigkeit gegenüber diesen beiden Freibeutern. Manche sagen, wir hielten die Hunde wie Kinder. Ich widerspreche immer heftig, meine aber, mit einer gewissen Dialektik dürften wir sie schon unsere Hundesöhne nennen. Aber 2 Dinge, in Erz gegossen, gab und gibt es bei uns nicht: Springen-in-die-Betten und Betteln-bei-Tisch. Zumindest Xenia hat früher ihre - vermutlich - privilegierte Situation ganz offensichtlich zum hemmungslosen Betteln mißbraucht - ihr Verhalten zeigte es deutlich. Damit war jetzt ein für alle Mal Schluß.

4. Bewegung
Morgens mit meiner Frau 1-2 Stunden laufen. Nachmittags/Abends ebenso lange mit mir. Dazwischen "Grundstücksarbeit": Stellen der diversen Passanten, Konkurrenten, Radler am Zaun, quer durch den Garten, begleiten, angeben: "Zaunkönig machen" = das kostet Kraft. Hinzu kam das langanhaltende warme/heiße Sommerwetter, das es erlaubte, im Lech, wir wohnen nördlich von Augsburg auf dem Land, etwa 2 km vom Lech entfernt, nicht nur Abkühlung zu suchen, sondern auch Training besonderer Art durchzuführen.

Diesen Aspekt möchte ich weiter ausführen: Bereits beim ersten Spaziergang in Herford, unangeleint, fiel uns auf, daß Xenia mit Brust und Bauch breitbeinig in jeder Pfütze landete. Ganz offensichtlich, um sich Kühlung zu verschaffen. Bei unserer Rückkehr zur BNH-Geschäftsstelle empfing uns eine junge Dame angesichts der triefenden Xenia mit der Bemerkung: "Na, Vollbad genommen?": also offensichtlich nicht ungewöhnlich bei ihr. Die gleiche Vorliebe hatten wir bei unseren Spaziergängen festgestellt: Es zog Xenia immer wieder zum Wasser in jeder Form hin: In eine moorige Gegend dürften wir mit ihr nicht ziehen. Das machte ich mir zu Nutze, um mit den Hunden auf die Kiesbänke zu gehen, in/um die der Lech bei Niedrigwasser mäandert. Das erste Mal war leicht enttäuschend, bezogen auf die Bereitschaft, das Wasser anzunehmen. Insbesondere Baxter erwies sich als sehr zögerlich und er war lediglich bereit, seine Beine bis in Kniehöhe zu benetzen. Auch fließendes Wasser irritierte ihn und der erste ungewollte Kontakt mit tiefem Wasser verlief für ihn leicht panisch, für Xenia bestenfalls irritierend ungewohnt.
Aber ab dem nächsten Mal verwandelte sich Xenia in eine furcht-, skrupel- und gnadenlose Schwimmerin: Keine Strömung ist zu strudelig, schnell, wellig, um nicht das geworfene und anvisierte Stöckchen zu ergreifen und heranzubringen. Ich betone, daß alles völlig ungefährlich ist, selbst da, wo es strömt und gurgelt: spätestens nach 50-80 Metern ist alles wieder seicht. Man kann also getrost einmal abgetrieben werden, aber hinein wagen muß man sich schon. Und das ist beim 20. Mal genauso schön, wie beim ersten.

Auch Baxter hat hiervon profitiert: Zwar schwimmt er immer noch nicht, aber er traut sich mittlerweile bis über die Rückenlinie ins nahezu tiefe Wasser, sofern ich mitgehe und er den Grund sieht. Aber das ist doch auch schon was. Mit Xenia geht er immerhin schon bis zur halben Körperlinie mit hinein.

Jedenfalls ist Xenia auf so beängstigende Weise furchtlos und das nicht nur im Wasser, daß ich sie beispielsweise nicht mehr mit in die Berge nehme: Die Steige sind einfach nicht für ihre Dynamik und Neugier ausgelegt. Einmal und nicht wieder ... Es ist nichts passiert, aber es gab bange Momente.

Doch zurück zu ihrem Gewicht: Alle oben beschriebenen Maßnahmen haben jetzt, nach etwa 9 Wochen bei uns, zu einem vorläufigen Endpunkt von 33 kg geführt. Wir sind so stolz darauf, als hätten wir selbst diese 13 Pfund abgenommen, was übrigens ebenfalls nötig wäre. Vorläufig deswegen, weil wir meinen, noch 2 kg weniger, wäre ideal, da dann etwas Spielraum nach unten und oben vorhanden wäre. Jedenfalls ist Xenia wieder die Schönheit, die sie zuvor schon einmal war.

Zumindest haben wir jetzt die Leckerli-Restriktion aufgehoben.

Die Geschichte von Xenia + Baxter ist hoffentlich noch lange nicht zu Ende, aber es ist sehr befriedigend, zu einem guten Gelingen beizutragen.